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Vortrag: Virtuelle Grenzen und immer neue Vorratsdatenspeicherungen

Datenspuren in der Europäischen Union

Mit Agenturen, Datenbanken, Gesetzesvorhaben und Absichtserklärungen ist die Europäische Union überaus aktiv im Bereich digitaler Überwachung und Kontrolle. Viele Entwicklungen laufen unter dem Radar von NetzaktivistInnen und Bürgerrechtsgruppen. Dabei ist es dann, wenn bereits beschlossene RIchtlinien in nationale Gesetze überführt werden, für Protest und Widerstand oft zu spät.

Laut dem Jahresbericht der EU-Polizeiagentur Europol für 2013 hat sich die Anzahl gespeicherter Datensätze deutlich erhöht: So seien die im Europol Informationssystem abgelegten Objekte um 31% angewachsen. Noch drastischer fiel die Zunahme gespeicherter Personen aus. Diese sei um 47% gestiegen. Deutsche Behörden sind mit rund einem Drittel "Power User" bei Abfragen und Zulieferungen.

Während die Proteste von Geflüchteten an Intensität und Sichtbarkeit gewinnen, setzt die Europäische Union weiterhin auf Abschottung. Das neue Grenzkontrollsystem EUROSUR bündelt zivile und militärische Informationen. Die Daten stammen von Satelliten und Radarstationen, Flugzeugen, Drohnen oder Schiffsortungssystemen und laufen im Hauptquartier der EU-Grenzagentur FRONTEX in Warschau zusammen. In mehreren Forschungsprojekten wird die grenzpolizeiliche Nutzung großer Drohnen vorbereitet. Zunächst über dem Mittelmeer könnten "Predator" oder "Heron" bald auch die EU-Grenze Polens mit Weißrussland überwachen.

Ursprünglich sollte die Aufrüstung der EU-Außengrenzen mit dem Abbau der Binnengrenzen einhergehen. Diese viel gepriesene Reisefreiheit – unabhängig von Nationalität und Herkunft – ist eine Illusion: Zu den im Schengener Abkommen festgelegten "Ausgleichsmaßnahmen" gehören die sogenannten "virtuellen Grenzen": Gemeint sind Datenbanken wie das Schengener Informationssystem (SIS), das nicht nur der Migrationskontrolle dient. Mittlerweile gibt es das SIS in einer zweiten Generation, nun können auch biometrische Daten angehängt werden. Die Nutzung des SIS zur "heimlichen Fahndung" hat sich in den letzten fünf Jahren verdoppelt.

Neue Informationssysteme sind unterwegs. Das deutsche Innenministerium wünscht sich eine riesige Vorratsdatenspeicherung von Einreisen in die EU. Unabhängig vom Zweck des Besuchs sollen alle Reisenden alle Fingerabdrücke abgeben. Mittlerweile ist auch der Vorschlag eines EU-Passagierdatensystems nach US-Vorbild wieder auf der Agenda. Vor jedem Flug auch innerhalb der Mitgliedstaaten tauschen Grenzbehörden dann umfangreiche Personendaten aus, um diese mit eigenen Informationssystemen abzugleichen. Weil der Überblick langsam verloren geht, richtete die EU kürzlich mit der "IT-Agentur" eine eigene Behörde zur Verwaltung der polizeilichen Informationssysteme ein. Derzeit werden dort das Visa-Informationssystem, die Finderabdruckdatenbank und das Schengener Informationssystem verwaltet.

Allerdings gibt es weit mehr als diese drei Plattformen: Daten werden über die EU-Agentur Europol oder die internationale Polizeiorganisation Interpol an "Drittstaaten" weitergegeben, Grenzbehörden nutzen ein Zollinformationssystem. Geregelt werden die Entgegennahme des europäischen oder internationalen Haftbefehls oder von Rechtshilfeersuchen für Hausdurchsuchungen oder Abhörmaßnahmen. Weitere Kanäle der digitalen Zusammenarbeit sind die über 40 Zentren für die Polizei- und Zollzusammenarbeit, die bei verschiedenen Behörden angesiedelten "Verbindungsbeamten" oder Koordinierungsstellen für die Betrugsbekämpfung. Im "schwedischen Rahmenbeschluss" und dem "Vertrag von Prüm" sind ebenfalls Absprachen zum Datentausch festgelegt. Getauscht werden DNA-Profile, Fingerabdrücke und Daten aus Fahrzeugregistern.

Mit mehreren Initiativen sind das US-Heimatschutzministerium und das US-Justizministerium in die Planung und Umsetzung der EU-Innenpolitik involviert. Die Folge waren neue Polizeiabkommen zum Datentausch zwischen der EU und den USA. So wird ein Lieblingsprojekt des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble Realität: Der "transatlantische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" - eine Art innenpolitische NATO.

Der Vortrag soll die vorhandenen Informationssysteme und Institutionen erklären. In der Diskussion soll es darum gehen, die geplanten Datensammlung kritisch zu betrachten und Möglichkeiten von Interventionen und Kampagnen zu überlegen.

Info

Tag: 14.09.2014
Anfangszeit: 15:45
Dauer: 01:30
Raum: Großer Saal

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